• Gasthof Albert Bertz

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Gasthof Friedrich Schmidt

    Untertitel hier einfügen
    Button

Von Schifferbällen und einer Saalschlacht

Michelsdorfer Senioren erinnern sich und erzählen Geschichten rund um die Gastronomie des Dorfes. Was von den bewegten Zeiten geblieben ist? Erinnerungen. An die Ziegeleien, das Gut, die LPG, den Obstbau und die Gaststätten in Michelsdorf.


Von Heiko Hesse (Märkische Allgemeine vom Dienstag, den 28.September 2004)

"Wunderbare Tanzabende hatten wir bei uns im Saal,“ erzählte Eva Boche. „Wenn morgens um 4.00 Uhr Schluss war, hat Gustav

Pausemann immer „Die Post im Walde“ auf der Trompete geblasen. Das war immer ein schöner Abschluss“. Mit ihrem Mann hat Eva Boche fast 30 Jahre lang eine Michelsdorfer Gaststätte betrieben. Beim Seniorentreff in der vergangenen Woche im Gemeindehaus des Dorfes hatten sich die alten Herrschaften viel über diese Lokale, deren Betreiber und die Feste zu erzählen.


„Bei Boches“, sagte Heinz Schmidt, „haben sich immer die Jugendlichen und die Alten getroffen“. Die Konkurrenz, die Familie Herbst, sei Anziehungspunkt eher für das mittlere Alter gewesen. Und noch etwas habe die beiden gastronomischen Einrichtungen unterschieden: „Wenn ich nach einer durchzechten Nacht morgens in meinem Portemonnaie noch ein paar Pfennige gefunden habe, wusste ich, dass ich die Nacht bei Boches gewesen sein musste“. Gastwirt Herbst hingegen habe die Preise immer aufgerundet. „Da blieben keine Pfennige mehr übrig“, ist Heinz Schmidt überzeugt, was allerdings andere Senioren in der gemütlichen Kaffee-und Kuchen-Runde für etwas übertrieben halten.


Leo Tonak erzählt von einer Saalschlacht, die sich eine übers Land ziehende Truppe von Arbeitslosen mit Polizisten bei Herbstes geliefert habe. „Erst hatten die Arbeitslosen, die lautstark Arbeit forderten, Lehnin unsicher gemacht, dann sind sie durch Michelsdorf gezogen. Keine Ahnung, wo die hergekommen sind“, sagte Leo Tonak. Die Bereitschaftspolizei aus Potsdam hätte dem Treiben ein Ende bereitet. „Sechs Mann haben an den Ortsausgängen gestanden, die anderen sechs sind in den Saal hinein“. Offenbar völlig unerschrocken angesichts einer so großen Überzahl von Menschen, die den Ordnungshütern gegenüber stand. Jedenfalls haben „viele der Arbeitslosen das Lokal durch das geschlossene Fenster wieder verlassen“.

In wilder Flucht hätten sie das Weite gesucht. Die Fahrräder, mit denen einige unterwegs waren, hätten sie im Dorf einfach zurückgelassen, was die Michelsdorfer überhaupt nicht gestört haben durfte.

August Herbst hatte die Gaststätte übernommen, aber nicht allzu lange seine Freude daran gehabt. „Er ist 1934 im Alter von 34 Jahren gestorben“, berichtete Wilfried Bielicke. Gattin Gertrud übernahm das Geschäft. In den letzten DDR-Jahren lief das Lokal in der Regie der Konsum Genossenschaft.


Heinzpeter Kemnitz, Ortsbürgermeister von Michelsdorf, hatte die Gaststätte von 1981 bis Anfang 1988 geleitet, bis er mit seinem französischen Pass in der Tasche nach Westdeutschland ausreisen konnte.

Die Gaststätte ist nach der Wende geschlossen worden.

Weit früher ereilte dieses Schicksal das Lokal der Boches. Alma Boche hatte die Wirtschaft von ihrem Vater, Friedrich Schmidt übernommen und nach dem 2. Weltkrieg an ihren Sohn Fritz weitergereicht. „Das war, als er 1947 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt ist“, erinnert sich Eva Boche an ihren Mann. Bis 1977 führten die beiden den Betrieb.

In dieser Zeit verschwanden auch die Wandmalereien im Saal. „Den Saal haben wir noch gestrichen. Was damals ihren Schwiegeropa bewogen hatte, die Wände mit Landschaftsmotiven zu gestalten, wisse sie nicht. Da einige dieser großen Kunstwerke mit der Schifffahrt zu tun haben, sieht Eva Boche eine mittlerweile untergegangene Tradition des Ortes als mögliche Ursache. Wie in Rietz heute noch, habe es in Michelsdorf einen Schifferverein gegeben „Jedes Jahr gab es einen Schifferball (Schepperball) - immer im Wechsel, mal bei Herbst, mal bei uns,“ erzählt Eva Boche. Ende der 70er-Jahre sei das Lokal nicht mehr so gut gelaufen. Als die LPG anbot, den Saal abzukaufen und Unterkünfte für Erntehelfer aus Polen und der Tschechei einzubauen, „haben wir zugegriffen“. Der Bedarf an Unterkünften wuchs und Boches trennten sich von der Gaststätte mit dem Wohnhaus. "Dafür hat uns die Baubrigade der LPG ein neues Haus gebaut, in das wir 1980 eingezogen sind.“ Seit der Wende steht das alte Lokal bei Boches leer.